1 Einleitung

Der vorliegende Beitrag versteht sich als eine Skizze1 zu ausgewählten Aspekten der sardischen Syntax aus diatopischer Sicht, die in den Materialien des Vivaio Acustico delle Lingue e dei Dialetti d’Italia (VIVALDI) erkennbar sind. Hierbei soll auch gezeigt werden, dass die zurzeit vorhandenen sardischen Aufnahmepunkte von VIVALDI die bisherigen Kenntnisse der sardischen Syntax und ihrer Diatopik bestätigen bzw. vermehren können. Mein Versuch, aus den sardischen VIVALDI-Daten syntaktische Erkenntnisse zu extrahieren, brachte schnell eine immense Menge von interessanten Phänomenen zum Vorschein, so dass sich abzeichnete, dass man im Prinzip mühelos ein Buch daraus machen könnte. Daher war eine Auswahl an Phänomenbereichen erforderlich, die die Vielzahl der zukünftig aus diesem Material noch zu gewinnenden syntaktischen Erkenntnisse nur andeuten kann. Hierbei handelt es sich um exemplarische Auszüge aus der Nominalsyntax (Abschn. 2, Possessivadjektive), Verbalsyntax (Abschn. 3, Verwendung bestimmter Tempora und Modi) und Satzsyntax (Abschn. 4, linke Peripherie: Komplementierer, Fokus- und Fragekonstruktionen). Der Artikel endet mit einem abschließenden Abschnitt 5, der die Ergebnisse resümiert. Es seien aber zunächst einige vorbereitende Überlegungen und Informationen vorangestellt.

 Guido Mensching - Portrait


Guido Mensching, Prof. Dr., geb. 1963, seit 2000 o. Professor für romanische Sprachwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Studium Romanistik (span. und ital. Philologie) und Germanistik an der Universität zu Köln (1984–1989), Promotion ibidem 1992 mit einer kommentierten Edition eines altspanischen Medizinwörterbuchs, Habil. ibidem 1997 zu Infinitivkonstruktionen in den romanischen Sprachen im Rahmen der generativen Syntax. Weiterer langjähriger Forschungsschwerpunkt Sardisch. Vorher wiss. Mitarbeiter/Assistent Univ. zu Köln (Computerlinguistik).

Die ernsthafte Beschäftigung mit der Syntax des Sardischen beginnt erst Ende der 1980er Jahre mit der Publikation einzelner Beiträge von Michael Allan Jones (1988a, b). 1993 erschien dann Sardinian Syntax (Jones 1993), die hauptsächlich dem Ort Lula (sard. Lùvula) gewidmet ist und eine ältere Form des generativen Modells nutzt. Im selben Jahr wurde die Arbeit von La Fauci/Loporcaro (1993) zu Bonorva im Framework der Relational Grammar publiziert. Im neuen Jahrtausend findet zum einen hauptsächlich anhand der Syntax der Orte Bono und Buddusò in Bentley (2003, 2004) ein weiteres Grammatik-Framework (die Role and Reference Grammar) Anwendung, zum anderen erfolgt in Remberger (2006) die erste kohärente minimalistische Analyse des Sardischen, die nicht auf Daten einzelner Orte beruht, sondern vor allem die in Köln gegründete und seit 2000 an der FU Berlin beheimatete Mailingliste sa-limba als Korpus nutzt. Zusammen mit Eva-Maria Remberger hat auch der Verfasser dieses Artikels einige relevante Eigenschaften des linken Satzrandes im neueren generativen Rahmen behandelt (Mensching/Remberger 2010a, b). Nunmehr kann zwar gesagt werden, dass die wichtigsten syntaktischen Strukturen des Sardischen deskriptiv erfasst wurden und aus theoretischer Sicht recht gut verstanden sind, allerdings steckt die sprachgeographische Erfassung der Syntax des Sardischen noch in den Kinderschuhen. Im Rahmen des von Padua (Paola Benincà) aus geleiteten Atlante Sintattico dei dialetti d’Italia (ASIt; vgl. Benincà/Poletto 2007 u.a.) wurden zu Beginn des neuen Jahrtausends vier sardische Orte experimentell auf schriftlichem Wege syntaktisch exploriert und in einem Workshop, dessen Resultate von Padovan/Penello (2006) publiziert wurden, behandelt. Seit 2009 habe ich selbst in insgesamt fünf Orten mündlich ASIt-Umfragen durchgeführt, deren Auswertung allerdings noch nicht abgeschlossen ist. Das Gesagte lässt sich in Karte 1 zusammenfassen:

Karte 1: In diversen Studien und Projekten zur sardischen Syntax berücksichtigte Orte

Karte 1: In diversen Studien und Projekten zur
                                         sardischen Syntax berücksichtigte Orte

Vor allem aber ist die umfangreiche Arbeit von Manzini/Savoia (2005) zur Syntax der Dialekte Italiens zu erwähnen, die bisher die größte Zahl an sardischen Orten (29 Punkte) umfasst. Da es auch hierbei, wie bei den meisten oben genannten Arbeiten bzw. Projekten, nicht um eine Gesamtdarstellung der erhobenen Daten geht, sondern um eine Beschreibung und Interpretation ausgewählter Phänomene, ist dieses ansonsten beeindruckende Werk aus sprachgeographischer Sicht nur bedingt zu gebrauchen. Ein erster Versuch, die Ergebnisse aus Manzini/Savoia (2005) bezüglich Sardiniens auf Karten darzustellen, liegt mit der Magisterarbeit von Gabriel Kampmann (2010) vor, der sich allerdings mit der Schwierigkeit konfrontiert sah, dass die fehlende Erwähnung eines Ortes bezüglich einer bestimmten syntaktischen Struktur nicht in jedem Fall bedeutet, dass die Struktur an allen anderen Orten nicht vorhanden ist. Es lassen sich also nur Karten erstellen, die für eine Struktur zeigen, wo sie auf jeden Fall belegt ist – ein Beispiel ist in Abschnitt 4.1, Karte 4, gegeben. Die dort sichtbaren weißen Flächen sind Gebiete, über die man anhand von Manzini/Savoia (2005) bezüglich der jeweils in Frage stehenden Struktur nichts aussagen kann2. Karte 2 zeigt die in Kampmann (2010) berücksichtigten Orte. Auch ist anzumerken, dass Manzini/Savoia (2005) nicht das gesamte Spektrum der sardischen Syntax abdecken, so dass auch die meisten der hier in Abschn. 2, Abschn. 3 und Abschn. 4 behandelten Phänomenbereiche dort nicht untersucht werden.

Karte 2: Orte aus Kampmann (2010)

Karte 2: Orte aus Kampmann (2010)

Vor den genannten Hintergründen ist es sehr zu begrüßen, dass Dieter Kattenbusch und sein Team in seinem webbasierten Sprachatlas VIVALDI bisher 16 Orte auf Sardinien (vgl. Karte 3) in online abrufbaren Tondaten erfasst haben und hierfür auch – der VIVALDI-Systematik folgend – einen kleinen syntaktischen Teil erstellt haben.

Vergleicht man dieses bisher vorliegende VIVALDI-Punktenetz für Sardinien mit der von Kampmann (2010) erstellten Karte 2, so lässt sich folgendes festhalten:3

  1. Südlich der Grenze zum Sassaresischen konnte neben Ossi (P. 8, ASIt) und Ittiri (P. 13, ASIt u. M&S) noch der logudoresische Ort Ploaghe hinzugefügt werden.
  2. Weiter südlich im logudoresischen Sprachgebiet hat VIVALDI auf der Höhe des an der Westküste gelegenen Ortes Bosa (P. 16, M&S) noch den ca. 30 km östlich davon gelegenen Ort Macomer.
  3. Südlich von Santu Lussurgiu (P. 28, K), Ardauli (P. 30, M&S), Paulilatino (P. 29, M&S) verläuft eine wichtige Isoglosse, unterhalb derer der campidanesische bestimmte Artikel im Plural is (anstelle von log. sos/sas) lautet (vgl. Virdis 1988: 908). Die von Manzini/Savoia (2005) erfassten Orte Allai (P. 31) und Sorgono (P. 32) liegen südlich von dieser Linie und zeigen folglich schon den Artikel is. VIVALDI rückt im Westen viel näher an die Isoglosse heran, mit den nahe beieinander liegenden Orten Bonarcado (sos/sas) und Milis (is), zwischen denen diese Isoglosse genau verläuft. Östlich von Sorgono macht die Isoglosse einen „Knick“ nach Süden und erreicht dann südlich von Baunei (P. 25, ASIt) die Ostküste. Kurz vor diesem „Knick“ erfasst VIVALDI den unmittelbar nördlich der Isoglosse gelegenen Ort Fonni. Südlich von Baunei (P. 25, ASIt)4 gibt es im Osten keinen von Manzini/Savoia (2005) oder bisher vom ASIt-Projekt erfassten Punkt. VIVALDI hat hier den Ort Arzana berücksichtigt, der unmittelbar südlich der genannten Isoglosse im is-Gebiet liegt. Die genannten Orte liegen alle in der sogenannten zona grigia, in der sich vor allem zahlreiche phonetische bzw. phonologische Isoglossen, die das Campidanesische vom Logudoresischen trennen, in einem breiten Streifen überkreuzen (vgl. Virdis 1988: 908).5 Am südlichen Rand der zona grigia befindet sich der sowohl bei Manzini/Savoia (2005) als auch in VIVALDI figurierende Ort Laconi.
  4. Im campidanesischen Sprachgebiet kann VIVALDI in der Nähe der von Manzini/Savoia (2005) erfassten Orte Orroli (P. 37) und Donigala (P. 38) östlich davon noch Perdasdefogu beisteuern. Im Südwesten haben Manzini/Savoia nur die Orte Arbus (39) und Siliqua (42), während VIVALDI noch das ungefähr dazwischen liegende Villacidro bietet. Der Ort ist in Karte 2 (P. 40) deshalb enthalten, weil Kampmann (2010) im Rahmen seiner Arbeit für einige Phänomene einen Sprecher aus Villacidro interviewt hat. Dasselbe gilt für Iglesias (41).
  5. Schließlich bietet VIVALDI im extremen Süden noch die bei Manzini/Savoia (2005) nicht erfassten Orte Cagliari und Sant’Antioco, wobei letzterer Ort deshalb interessant ist, weil er neben dem ligurischsprachigen Ort Calasetta liegt und die in den anderen genannten Arbeiten nicht erfasste Region Sulcis repräsentiert.

Karte 3: VIVALDI-Punkte auf Sardinien (Stand 2011)

Karte 3: VIVALDI-Punkte auf
		                         Sardinien (Stand 2011)

Neben dem kleinen syntaktischen Teil von VIVALDI, der vierzehn Einzelsätze enthält (vgl. Anhang I), sind, wie sich noch zeigen wird, einige interessante Phänomene aus dem phonetischen Teil zu entnehmen. Am meisten für die Syntax bietet das Gleichnis vom verlorenen Sohn5 (im Folgenden GvS, vgl. Anhang II6), dessen syntaktische Auswertung daher auch prominent im vorliegenden Beitrag berücksichtigt wird. Das Gleichnis ist in Anhang III beispielhaft in der Version aus Nuoro, die aus VIVALDI in graphematischer Form transkribiert wurde, enthalten.

Im Folgenden werden nur die sardischen Varietäten im engeren Sinne behandelt, d.h. die Orte Sassari (Sassarese), Tempio Pausania (Gallurese), Alghero (Katalanisch) und Calasetta (Ligurisch) werden nicht berücksichtigt. Die aus den Tonmaterialien entnommenen sardischen Belege werden hier graphematisch wiedergegeben. In Fällen, in denen sich Beispiele auf mehrere Varietäten beziehen, wird die Standardform nach der Limba Sarda Comuna (LSC) wiedergegeben und in Kapitälchen dargestellt. Ansonsten werden die lokalen Varietäten graphematisch transkribiert, wobei ich mich auch an den Konventionen der LSC orientiert habe.7 Die Darstellung ist vornehmlich deskriptiv und weitestgehend theorieneutral gehalten.

2 Possessivadjektive

2.1 Grundlagen

Als Beispiel aus dem Bereich der Nominal- bzw. NP-Syntax wurden die Possessivadjektive ausgewählt. Es werden hier zunächst einige grundlegende Regelhaftigkeiten, die unabhängig von der Einteilung Campidanesisch-Logudoresisch zu gelten scheinen, genannt. Danach wird unter 2.2 das Thema der Verwandtschaftsbezeichnungen vertieft. Schließlich werden unter 2.3 einige in den VIVALDI-Daten erkennbare spezifische Besonderheiten des Campidanesischen dargestellt.

Nr. 1 des syntaktischen Teils (mio figlio) zeigt durchgehend die im Sardischen obligatorische postnominale Stellung des Possessivadjektivs (vgl. Manzini/Savoia 2005: III, 557–562), die auch anhand des Satzes (Questo è) il nostro cane/il mio cane im phonetischen Teil exemplifiziert werden kann. Wie im Italienischen fehlt bei Verwandtschaftsbezeichnungen der bestimmte Artikel, wie (1a) vs. (1b) zeigt.

(1) a. figiu meu/miu8
b. Custu est su cane9 meu/miu/nostru10

Bezüglich der Koordination mehrerer durch Possessivadjektive modifizierter NPen ist in der Darstellung von Lepori (2001: 167) folgende Anmerkung interessant:

L’aggettivo possessivo non si ripete nella stessa frase quando si riferisce alla stessa persona, animale o cosa: is denghis e is isçollòrius tuus no m’interèssanta (i tuoi capricci e le tue sciocchezze non mi interessano).

Ein solcher Fall lässt sich in GvS [12] beobachten (i miei porci e le mie pecore): Hier wird die von Lepori berichtete Regelhaftigkeit tatsächlich an den meisten Orten, die das Possessivadjektiv in der Übersetzung verwenden, gewählt, und zwar unabhängig davon, ob es sich um logudoresische oder campidanesische Varietäten handelt:

(2) a. sos porcos e sas alveghes mias (Ploaghe)
b. sos proʔos e sas ʔerveʔes meas (Fonni)
c. is procos e is brebeis mias (Laconi)
d. is procus e is brebeis mias (Cagliari)
e. is porcus e berbeis mias (Perdasdefogu)
f. is procus e brebeis mias (Villacidro)

Interessanterweise – mir ist nicht bekannt, dass dies in der Literatur bisher beschrieben wurde – kongruiert das Possessivum mit dem zweiten Nomen im Femininum, obwohl das erste Nomen (porcu) maskulin ist.11 In Perdasdefogu und Villacidro (vgl. (2e), (2f)) erscheint – wenn ich richtig höre – der bestimmte Artikel nur vor dem ersten Substantiv, was im Campidanesischen wohl deshalb möglich ist, weil der bestimmte Artikel im Plural für beide Genera dieselbe Form (is) zeigt. Nur zwei Orte verhalten sich in Bezug auf das Possessivadjektiv anders:

(3) a. is porcus mios e is brebeis (Sant’Antioco)
b. sos procos meos e sas arbeghes mias (Bonarcado)

Hierbei folgt (3a) im Prinzip auch Leporis Regel, nur dass das Possessivadjektiv hier hinter dem ersten Substantiv steht. Allein der Sprecher aus Bonarcado setzt zwei Possessivadjektive.

Ein eigenständiges Possessivpronomen gibt es im Sardischen nicht, so dass Questo cane è il mio/nostro aus dem phonetischen Teil dem Italienischen entsprechend wie in (4a) wiedergegeben wird. Villacidro und Perdasdefogu weichen von den anderen Orten (interessanterweise aber nur in der 1. Person Singular) ab: Der Sprecher aus Perdasdefogu setzt hier keinen Artikel (vgl. (4b)), während der Sprecher aus Villacidro eine Konstruktion mit cosa (siehe hierzu 2.3) verwendet, vgl. (4c):

(4) a. Custu cane est su meu/miu/nostru.
b. Custu caleddu est miu. (Perdasdefogu)
c. Custu cãi est cosa mia. (Villacidro)

Jones (1993: 73) erwähnt die Struktur in (4a) unter dem Stichwort ‚headless NPs‘ (vgl. auch Lepori 2001: 167), nicht aber die in (4b), während Blasco Ferrer (1986: 97) sowohl für Logudoresisch als auch für Campidanesisch beide erwähnt. Ob, und wenn ja in welchen Gebieten, beide Möglichkeiten existieren, bleibt zukünftig durch gezielte Befragungen herauszufinden. Gegen die Annahme, dass die Anwesenheit des Artikels in der italienischen Vorlage das Setzen des Artikels auch im Sardischen begünstigt hat, spricht die Übersetzung von Datemi quello che è mio in GvS [3], da hier an den meisten Orten, an denen die Informanten eine analoge Struktur verwenden, der Artikel trotz des Fehlens im Italienischen gesetzt wird:

(5) a. (totu) su (chi est) su meu/miu (Macomer, Bonarcado, Nuoro, Laconi, Perdasdefogu, Villacidro)
b. totu su ʔi est meu (Fonni)

2.2 Verwandtschaftsbezeichnungen

Der erste Satz des Gleichnisses vom verlorenen Sohn (Un anno fa mio nonno […] raccontò a me e a mia sorella […]) scheint zunächst das zu Beginn von 2.1 bezüglich der Verwandtschaftsbezeichnungen Gesagte zu bestätigen: Ähnlich wie im Italienischen fehlt hier der bestimmte Artikel, so dass das in VIVALDI in diesem Satz am meisten verbreitete Muster wie unter (6) dargestellt lautet:

(6) giaju12 meu/miu – sorre mia/mea

Zwei Typen von Abweichungen von der Form in (6) sind zu konstatieren: Für den eigenen Großvater ist die Verwendung des Nomens ohne Artikel und ohne Possessivum in (7a) nach den VIVALDI-Daten in Nuoro, Bonarcado und Milis belegt. Für ‚meine Schwester‘ wählte allein der Sprecher aus Nuoro die Konstruktion Artikel + Nomen (ohne Possessivum), vgl. (7b):

(7) a. jaju (Nuoro) a.' babbai (Bonarcado), a.'' nonnai (Milis)
b. sa carrale (Nuoro)

Die Struktur (7a), also das Nomen ohne Artikel und Possessivum, ist – wie aus meinen eigenen ASIt-Umfragen zu schließen ist – vielerorts (zumindest im Zentralsardischen) die präferierte Option für die Bezeichnungen der eigenen Eltern und Großeltern, wie auch von Jones (1993: 56) für Lula bestätigt. Für die von mir befragten Sprecher sind die in (6) und (7b) verwendeten Formen zumindest stark markiert; die von mir befragte Sprecherin aus Bitti lehnte *sa manedda als ungrammatisch ab. Vgl. auch Secci (2007: 44): *sa mammai / *mammai mia / *sa mammai mia; *su babbai; *babbai miu; *su babbai miu. Für den eigenen Vater bestätigt GvS [14] die Verwendung ohne Artikel und Possessivum in Nuoro, Milis und Bonarcado (babbu) sowie in Fonni, Perdasdefogu und Villacidro (babbai13); mit Possessivpronomen (babbu meu/miu) erscheint der Ausdruck hingegen in Ploaghe, Laconi, Arzana, Sant’Antioco, Cagliari. Aufgrund der VIVALDI-Daten würde sich ungefähr ein Bild ergeben, in dem der extreme Süden sowie das Logudoresische nördlich von Macomer regelmäßig das Possessivadjektiv verwendet. Allerdings zeigen die ASIt-Daten in Ossi und Ittiri (beide in der Nähe von Ploaghe) ebenfalls die Verwendung ohne Possessivum (bei babbu, mama und den betreffenden Wörtern für ‚Großmutter‘). Ebenso verwundert, dass der VIVALDI-Sprecher aus Arzana die Struktur ohne Possessivum nicht verwendet, während sie in dem nahegelegenen Baunei von Secci (2007) als regelhaft beschrieben wird. Allerdings zeigen die VIVALDI-Daten in GvS [20] zumindest einen Kontext, in dem die Verwendung mit Possessivum fast überall nicht nur grammatisch ist, sondern sogar die präferierte Option darstellt. Es handelt sich um No, babbo mio, das an fast allen Orten14 als No, babbu meu/miu übersetzt wird. Offenbar ist das Possessivum in der direkten Anrede möglich, wenn es aus affektiven Gründen fokussiert wird.

Die ASIt-Umfragen zeigen auch recht deutlich, dass die in den VIVALDI-Daten von dem Sprecher aus Nuoro gewählte Struktur in (7b) eigentlich nicht für die erste, sondern für die dritte Person üblich ist (zumindest in Dorgali, Bitti und Brunella bedeutet su frate durchgehend ‚sein/ihr Bruder‘).15 Jones (1993: 44) schreibt hierzu:

When the understood possessor is in the third person and anaphoric to some entity prominent in the discourse, typically the subject of the clause, the definite article is normally used without a possessive: Pretu est andatu chin su frate (‘Peter went with his (Peter’s) brother’).

Diese Verwendung wird im Gleichnis [3] (il più giovane andò da suo padre) bestätigt, wo suo padre überall mit su babbu übersetzt wird, vgl. ebenso sos/is figius in [4], in beiden Fällen mit Ausnahme von Cagliari.

2.3 Einige Besonderheiten des Campidanesischen

Wie bereits unter 2.2, Satz (4c), hier wiederholt als (8a), angemerkt, verwendet der Sprecher aus Villacidro in der Funktion des Possessivpronomens (hier als Prädikatsnomen) die Konstruktion cosa + Possessivadjektiv. Aber auch in attributiver Verwendung nennt er neben (1b) dieselbe Konstruktion (vgl. (8b)):

(8) a. Custu cãi est cosa mia. (Villacidro)
b. Custu est su cãi cosa mi.

Diese für das Campidanesische bekannte Struktur (vgl. Lepori 2001: 167) wird in GvS [12] von dem Informanten aus Sant’Antioco in der Übersetzung von nel mio campo (inciu campu cosa mia)16 verwendet. In Datemi quello che è mio in GvS [3] (vgl. 2.1, Bsp. (5)) benutzt der Informant aus Sant’Antioco die Konstruktion mit cosa (vgl. (9b)), während der Informant aus Villacidro die Struktur aus (5a) (hier (9a)) verwendet.

(9) a. Donai·mi cussu chi est su miu. (Villacidro)
b. Dona·mi·dda su chi est cosa mia. (Sant’Antioco)

An derselben Stelle ist eine weitere Konstruktion erkennbar, die der Informant aus Cagliari hier verwendet:

(10) Donai mi su chi est de mei. (Cagliari)

Eine Präpositionalphrase mit Personalpronomen anstelle eines Possessivums wird – allerdings für den attributiven Gebrauch – von Lepori (2001: 167) als Strategie zur Vermeidung von Ambiguität angegeben, wie auch bei Jones (1993: 44) für die zentrallogudoresische Varietät von Lula angemerkt ist. Der prädikative Gebrauch wird von Blasco Ferrer (1986: 96), ebenfalls als Disambiguierungsmöglichkeit, genannt. Folglich sollte im Logudoresischen die Struktur nur in der dritten Person vorkommen, so dass su libru suo in su libru de issu/de issa disambiguiert werden kann. Im Campidanesischen, das an der 2. Person Plural des Personalpronomens Genus markiert, macht auch in diesen Personen die Präpositionalphrase Sinn, was das Beispiel sa lei de bosatrus ‚Euer (m.) Gesetz‘ im Ggs. zu de bosatras (f.) (Lepori 2001: 167) erklärt. Nach Blasco Ferrer (1986: 96) ist diese Verwendung in der 2. Person Plural im Campidanesischen sogar die Regel. Sie wird so auch in den ASIt-Daten (Satz 99) aus Baunei verwendet. In VIVALDI findet sich – allerdings als Höflichkeitsform (für den Vater) – in GvS [20] ein Beleg in Milis (fizu de bosaterus17; unu tzeracu de bosaterus). Interessant ist hierbei, dass dieser genau das Gegenteil von dem belegt, was Lepori (2001: 167) anmerkt. Ihm zufolge sollte das Possessivpronomen bostu für die Anrede an eine Person verwendet werden und die PP-Lösung mit dem Personalpronomen für die Anrede an mehrere Personen. Konform zu Leporis Angaben verhalten sich hingegen die Informanten aus Laconi (fixu ‘ostu / unu de is tzeracos bostos) und Villacidro (fillu bostu / unu de is servidoris bostus). Die Sprecher aus Arzana und Perdasdefogu benutzen in der Anrede des Vaters das Possessivum der 3. Person Singular (figiu suo), das in Sant’Antioco mit dem speziellen Höflichkeits-Personalpronomen in der 3. Person Singular und der PP-Strategie disambiguiert wird: fillu de vostei / unu de is serbidoris de vostei.18 Im Norden heißt es einheitlich figiu bostru / unu de sos tzeracos bostros bzw. unu tzeracu bostru.19 Es bleibt zu bemerken, dass weder für das Beispiel unu connotu de tui (‚un tuo conoscente‘) bei Lepori noch für die Verwendung dieser Struktur in der 1. Person Singular bei dem VIVALDI-Sprecher aus Cagliari in (10) Disambiguierungsgründe in Frage kommen, weil die 1. und 2. Person Singular nicht disambiguiert werden können. Vermutlich handelt es sich eher um eine Fokussierungsstrategie20, wie im Übrigen auch die oben beschriebene Struktur mit cosa21.

3 Tempora und Modi

3.1 Anmerkungen zum Formeninventar

Bevor unter 3.2 auf die Verwendung von Tempora und Modi in Bedingungssätzen und in 3.3 auf einige Vergangenheitstempora eingegangen wird, sei zunächst die Präsenz bzw. Ausprägung einiger ausgewählter Tempora und Modi an den VIVALDI-Orten behandelt.

Die Sätze 7 und 8 des syntaktischen Teils zeigen das analytische Futur, das überall auf lat. habere + ad + Infinitiv zurückgeht, so dass an allen VIVALDI-Orten einheitlich folgendes Muster zu beobachten ist:22

(11) a. Cras ap’a torrare (a benner) / ghirare a domo.
b. Cando ap’ (a)23 esser betzu, m’ap(o) a comporare/piccare una domo […]

Der Konditional I ist in Satz 11 des syntaktischen Teils enthalten; da es sich hier um einen Bedingungssatz handelt (siehe 3.2), werden an den im Folgenden nicht genannten Orten andere Tempora verwendet. Auch in GvS [8] kann die eine oder andere Konditionalform gefunden werden. Hierbei ist im Norden die bekannte Konstruktion mit Imperfekt-Kurzformen von lat. DEBERE, im Süden, bereits ab Laconi und Arzana in der zona grigia, die Konstruktion mit speziellen Imperfektformen von HABERE + AD deutlich zu erkennen:

(12) a. dimis trabbagliare (Ploaghe)
b. diamus trabballare (Nuoro)
c. diat bìvere (Bonarcado)
(13) a. iaus a tribballare (Arzana)
b. iat agatai (Laconi, Villacidro)
c. iaus a trebballai/trabbalai (Laconi, Villacidro)
d. emus a trabballai (Cagliari)
e. estus24 a trabballai (Sant’Antioco)

Hierbei zeigen Cagliari und Sant’Antioco in der 1. Person Plural Formen mit e- statt ia-25. Der Konditional II erscheint in GvS [8] bei einigen anderen Sprechern:

(14) a. diat aer agatadu (Macomer)
b. iat essi bìviu (Laconi, Villacidro, Cagliari)
c. iat essi agatau (Cagliari)

Bezüglich der Fortsetzung des lateinischen Perfekts gibt es auf Sardinien mehrere kleinere Rückzugsgebiete, in denen dieses oder Reste davon noch erhalten sind bzw. in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch erhalten waren. Wagner (1938/39: 14) nennt für das Campidanesische das Sulcis, das in VIVALDI durch Sant’Antioco repräsentiert ist. Der Informant verwendet allerdings keine Perfektformen. Zwei andere Gebiete, die Baronia im Nordosten der Insel unterhalb des galluresischen Sprachgebiets sowie die Planargia im Nordwesten unterhalb des westlichen Teils des sassaresischen Sprachgebiets26, sind in VIVALDI nicht erfasst. Nach Wagner (1938/39: 19–21) hat sich darüber hinaus seit dem 16. Jahrhundert eine Perfektform auf -esi herausgebildet (in Analogie zu Verben mit s-Perfekt), die heute auf das Nordlogudoresische begrenzt ist und an einigen Orten eine Variante auf -ei zeigt. Letztere Bildung lässt sich tatsächlich für Ploaghe in VIVALDI im Gleichnis vom verlorenen Sohn durchgehend beobachten, vgl. z.B. die Formen 3. Person Singular conteit [1], andeit [3],[5], nazeit [3], fatteit [4], se leit [5], viveit [6], ritzeit [7]; 3. Person Plural mandighein, bufein, cantein [22].

Der Konjunktiv Imperfekt lässt sich am besten in GvS [17] beobachten, in dem Konzessivsatz, der mit ‚obwohl‘ (meistens als mancari wiedergegeben) eingeleitet wird. Die aus dem Lateinischen ererbten Formen sind hier nur in Macomer und in Ploaghe zu erkennen. Im Gegensatz zu Macomer hat allerdings der Sprecher aus Ploaghe den Konjunktiv Imperfekt von esser, gefolgt von dessen Partizip Perfekt (also im Prinzip den Konjunktiv Plusquamperfekt) verwendet:

(15) a. mancari sa domo de su babbu esseret meda attesu (Macomer)
b. mancari sa domo de su babbu ch’esseret istada attesu meda (Ploaghe)

Die VIVALDI-Sprecher aus Nuoro und Fonni verwenden hingegen nach mancari den Indikativ Imperfekt, ebenso wie die Informanten aus Milis, Arzana, Perdasdefogu und Sant’Antioco. Der Konjunktiv Imperfekt taucht in Bonarcado, 30 km südlich von Macomer, wieder auf, jedoch bereits in der campidanesischen Form, die sich dann sporadisch in dieser Konstruktion noch im Campidano wiederfindet:

(16) a. mancari fessit attesu meda sa domo de su babbu (Bonarcado)
b. anche ci sa ’omo de su babbu fesset aillagru meda (Laconi)
c. mancai sa domu de su babbu (suu) fessit meda attesu (Villacidro, Cagliari)

In dem Wunschsatz in GvS [15] wird der Konjunktiv Plusquamperfekt – abweichend von der Vorlage – in Fonni und Villacidro27 und der Konjunktiv Imperfekt im äußersten Süden (Sant’Antioco, Cagliari) verwendet.28

(17) a. A su mancu èssere pòtiu torrare a domo! (Fonni)
b. A su manch’essi pòtziu torrai anca babbai! (Villacidro)
c. Si a su mancus podessi torrai anch’e is mius! (Sant’Antioco)
d. A su mancu podessi torrai a undi is meus! (Cagliari)

Wie Pittau (1991: 137, 151) anmerkt, existiert im Logudoresischen in Wunsch- und Konditionalsätzen (zu Letzteren siehe 3.2) der Konjunktiv Imperfekt nur von esser und aer. Bei anderen Verben wird der Konjunktiv Plusquamperfekt verwendet, wie auch in Mensching (2004: 90) erwähnt. Dies erklärt (17a), nicht aber (17b), da Villacidro im campidanesischen Sprachgebiet liegt.

3.2 Bedingungssätze

Der Literatur zum Nuoresischen/Logudoresischen nach kann in beiden Teilen von Bedingungssätzen, die eine unerfüllbare bzw. unwahrscheinliche Bedingung ausdrücken, sowohl in der Apodosis als auch in der Protasis der Konditional I bzw. II stehen, wobei alternativ (wieder in beiden Teilen) das Imperfekt (unerfüllbare/unwahrscheinliche Bedingung der Gegenwart) oder das Plusquamperfekt (unerfüllbare Bedingung der Vergangenheit) erscheint (Mensching 2004: 84, Jones 1993: 307f u.a.). Pittau (1991: 151) nennt für erstere noch die Verwendung des Konjunktivs Imperfekt in der Protasis (nur bei esser und aer) mit dem Konditional I in der Apodosis. Blasco Ferrer (1986: 202) bietet eine differenziertere Darstellung, die auch das Campidanesische mit einbezieht. Demnach stellt der Konjunktiv Imperfekt in der Protasis mit dem Konditional in der Apodosis die häufigste Konstellation dar, wobei im Logudoresischen der Konjunktiv Plusquamperfekt anstelle des Konjunktivs Imperfekt bevorzugt wird (siehe auch oben unter 3.1). Der Konditional und das Imperfekt in beiden Teilen wird von Blasco Ferrer als Alternative genannt, wobei der Konditional von ihm als eher typisch für das Logudoresische charakterisiert wird.

Eine unerfüllbare bzw. unwahrscheinliche Bedingung der Gegenwart wurde im syntaktischen Teil von VIVALDI mittels Satz 11 elizitiert, wobei die (hier nachgestellte) Protasis im Passiv steht: Lavoreremmo di più, se fossimo pagati meglio. Dieser Satz wird sehr heterogen wiedergegeben. Die Konstruktion mit Konditional I in beiden Teilen lässt sich hierbei nicht beobachten;29 am häufigsten ist der Konditional I in der Apodosis mit dem Imperfekt in der Protasis:30

(18) a. Noso iaus a trebballai ‘e prus, ci fustis31 pagaus prus bene. (Laconi)
b. Iaus a trabballare ‘e prus, ci fustis pagaus mellus. (Arzana)
c. Iaus a trabballai de prus, si fiaus pagaus mellus. (Villacidro)
d. Estus a trabballai de prus, si fustis pagaus mellus. (Sant’Antioco)
e. Emus a trabballai de prus, chi si paganta mellus. (Cagliari)

Entgegen der Angabe bei Blasco Ferrer liegen alle diese Orte im campidanesischen Sprachgebiet.32 Nuoro und Ploaghe (Option 2)33 zeigen ebenfalls der Konditional nur in der Protasis, während in der Apodosis der Indikativ Plusquamperfekt (der eigentlich für die unerfüllbare Bedingung verwendet werden sollte) gesetzt wird (vgl. (19))34. Die Lösung mit Imperfekt in beiden Teilen wird nur in Milis gewählt, wie (20) zeigt.35

(19) a. Diamus trabballare de prus, si fimus istaos pagaos menzus. (Nuoro)
b. Si nos aian pagadu mezus, dimis trabbagliare de pius. (Ploaghe)
(20) Tribballajaus36 de prus se fuau pagaus mezus. (Milis)

Schließlich wird der Satz in Macomer und Ploaghe (Option 1) wie eine unerfüllbare Bedingung der Vergangenheit übersetzt,37 wobei der Sprecher aus Ploaghe eine unten noch zu behandelnde Konstruktion mit aer àppidu + Part. wählt:

(21) a. Si nos aian pagadu menzus, aimis tribbagliadu de pius. (Macomer)
b. Si fimis istados pagados mezus, aimis àppidu trabbagliadu de pius. (Ploaghe)

Die Sprecher in Fonni, Bonarcado und Perdasdefogu benutzen hier die reale Bedingung, mit Präsens und/oder Futur:38

(22) a. Amus a trabballare ‘e prus, si siemus pagaos mengius. (Fonni)
b. Eus a tribbaglare de prus, si s’an a pagare menzus. (Bonarcado)
c. Trabbalgiaus prus chi si pàganta prus. (Perdasdefogu)

Wahrscheinlich liegt diese große Heterogenität zum Teil am Interpretationsspielraum dieses Satzes, d.h. an den verschiedenen Graden der Wahrscheinlichkeit der Erfüllung von Bedingung bzw. Konsequenz, die hier denkbar sind. Auffälligerweise ist der Konjunktiv Imperfekt bzw. Plusquamperfekt in diesem Satz an keinem Ort belegt.39

Im Gegensatz hierzu sind die Ergebnisse für die unerfüllbare Bedingung der Vergangenheit weitaus einheitlicher, wobei für Satz 2 aus dem syntaktischen Teil nur drei Typen erkennbar sind:

(23) a. Si l’aia ischidu, fui ‘ènnidu.40 (Macomer)
b. Si dd’iu (?) ischìpiu non che fu bènniu. (Bonarcado)
c. Si dd’iu schìpiu, fui bènniu. (Milis)
d. Ci dd’ia scìppiu, fui ‘ènniu. (Arzana)
e. Ci dd’ia iscìppiu, fui ‘ennìu (Laconi)
f. Chi dd’ia scìppiu, fui ‘ènniu. (Perdasdefogu)
g. Chi dd’emmu scìpiu, femmu bennìu. (Cagliari)
h. Si ddu emmu scìppiru, fui benìu. (Sant’Antioco)
(24) a. Si l’aia àppidu ischidu, fia ’ènnidu. (Ploaghe)
a.' Si fimis istados pagados mezus, aìmis àppidu trabbagliadu de pius.
b. Si l’ai’ischiu, fip’istau bènniu. (Nuoro)
c. Si l’aio iscìpiu, ub’ istau vènniu. (Fonni)
(25) Chi dd’essi scìppiu, fia (femu) bennìu. (Villacidro)

Der am weitesten verbreitete Typ ist hier die in den Grammatiken genannte Option des Indikativ Plusquamperfekt in beiden Teilen (vgl. (23)).41 Offenbar eher Nuoresisch (d.h. Nuoro und Fonni), aber mit einem Ausläufer nach Ploaghe,42 ist die von Jones (1993: 83) als „double perfective construction“ bezeichnete Konstruktion in (24), eine Art „plus-que-parfait surcomposé“, die nach Jones typischerweise in der Protasis vorkommt, von einigen Sprechern aber auch in der Apodosis akzeptiert wird. Letzteres wird von den VIVALDI-Sprechern in Nuoro und Fonni gewählt, während der Sprecher aus Ploaghe die nach Jones unmarkierte Option (mit dem surcomposé im Hauptsatz) liefert; allerdings zeigt Satz 11 des syntaktischen Teils (vgl. oben, (19b), hier wiederholt als (24a’)) genau dasselbe Muster wie in den anderen beiden Orten. Schließlich verwendet der Sprecher aus Villacidro (vgl. (25)) in der Protasis einen Konjunktiv Plusquamperfekt, mit dem Indikativ Plusquamperfekt in der Apodosis. Dasselbe kann für Bitti (ASIt) beobachtet werden, wobei beide unabhängig voneinander befragten Sprecher ebenfalls in der Protasis den Konjunktiv Imperfekt verwenden. Insgesamt scheint aber diese Option eher selten zu sein. Auffälligerweise wird der Konditional II von den VIVALDI-Sprechern nicht verwendet.43

GvS [14] bietet schließlich noch einen gemischten Typ von Bedingungssatz mit einer unerfüllbaren Bedingung der Vergangenheit in der Protasis und der in der Gegenwart nicht eingetroffenen Konsequenz: S’io fossi restato a casa, quanto meglio starei. Auch hier wird der Konditional II nicht verwendet. In der Apodosis mit Gegenwartsbezug erscheint der Konditional I (vgl. (26)), begrenzt auf das campidanesische Gebiet südlich von Laconi (einschließlich; mit Ausnahme von Perdasdefogu: dort Imperfekt, vgl. (27)). Dies ist konform mit den oben unter (18) dargestellten Daten, die im Campidanesischen der Konditional I in der Apodosis zeigen.

(26) a. Ci deo fu istàppiu in domo, cantu mengius ia istai. (Laconi)
b. Chi fia abbarrau in domu, cant’ ia istai mellus. (Villacidro)
c. Si fui abbarrau in domu, cantu emu a istai mellus. (Sant’Antioco)
d. Si deo femu aturau in domu, cantu mellus emu a èssiri. (Cagliari)
(27) Chi fu abbarrau in domu, ch’istaia melius. (Perdasdefogu)

Auffälligerweise wird in Arzana und Milis und oberhalb dieser beiden Orte einheitlich in beiden Teilen der Indikativ Plusquamperfekt verwendet:

(28) a. Si mi fia imbarradu in domo, fia istadu mezus. (Ploaghe)
b. Si fu adduradu in domo, fu istadu menzus. (Macomer)
c. Si fipp’abbarrau in domo, àtteru che goi fipp’istau. (Nuoro)
d. Si minche fu abbarrau in domo, mi fuit cumbèniu. (Bonarcado)
e. Si deo ’ubi istau abbarrau in domo, comente ’ubiistau mengius. (Fonni)
f. Si fu abbarrau in domu, fu istau mezus. (Milis)
g. Ci fu abbarrau in domu, cantu mellus fu istau. (Arzana)

Hierbei sieht es so aus, als würde das Plusquamperfekt in der Protasis dasselbe Tempus in der Apodosis auslösen, obwohl (zumindest für Ploaghe und Nuoro, wie (19) zeigt) der Konditional in der Apodosis durchaus auch im Norden verwendet wird. Allerdings handelt es sich ja hier trotz des Gegenwartsbezugs um eine unerfüllbare Bedingung, was möglicherweise die Auswahl begründet. Auf jeden Fall legen die VIVALDI-Daten den Gedanken nahe, dass es sich hierbei um eine logudoresische Konstellation handelt, die recht weit nach Süden in die zona grigia hineinreicht.

3.3 Zur Verwendung einiger Vergangenheitstempora

In diesem Abschnitt geht es hauptsächlich um die abgeschlossene Vergangenheit ohne Gegenwartsbezug, die i.d.R. auf Sardinien mit dem zusammengesetzten Perfekt ausgedrückt wird und somit, ähnlich wie in Norditalien und im gesprochenen Französisch, mit der (abgeschlossenen) Vergangenheit mit Gegenwartsbezug zusammenfällt. Nur in Ploaghe wird die abgeschlossene Vergangenheit ohne Gegenwartsbezug noch mit dem „historischen Perfekt“ (vgl. 3.1) ausgedrückt, dessen Formen an allen anderen VIVALDI-Punkten verschwunden sind. So wird der Satz Sì – rispose il contadino – ma […] aus GvS [10] in Ploaghe wie in (29a), aber anderswo mehrheitlich nach dem Muster in (29b) wiedergegeben:

(29) a. „Emmo“, repondeit su massaju.
b. „Eja“/„Emmo“/„Si“ (li/ddi) at rispostu su massaju.

Die Option (29b) ist in Macomer, Fonni, Laconi, Perdasdefogu zu beobachten.44 Hingegen wird auffälligerweise von den Informanten aus Nuoro, Bonarcado und Villacidro das Plusquamperfekt, aiat45 rispostu, verwendet. In Nuoro ist dies auch bei anderen Verben regelmäßig zu beobachten (z.B. aiat contau [1], aiat fattu [4], s’aiat colau sas dies [6], fit abbarrau [7] – aber ibidem: sinch’at gastau –, aiat pessau [16]; vgl. hierzu die Transkription des Gleichnisses im Anhang III). An den anderen genannten Orten taucht das Plusquamperfekt in dieser Funktion des öfteren auf; Bonarcado: aiat fattu [4], aiat bìviu [6], fuit abbarrau und ch’aiat bogau [7], aiat pensau [16]. Villacidro: iat contau [1], iat bìviu [6], iat spèndiu, fiat abbarrau [7], iat pensau [16]. Auch der Sprecher aus Cagliari benutzt gelegentlich das Plusquamperfekt, vgl. iat contau [1], iat spèndiu [7], meistens aber das historische Präsens. Die genannte Verwendungsweise des Plusquamperfekts wurde für die Varietät der Stadt Nuoro in Mensching (2004: 69) angemerkt:

Neben seiner eigentlichen Funktion, die Vorzeitigkeit zu Perfekt und Imperfekt auszudrücken, kann das nuoresische Plusquamperfekt auch als historisches Perfekt (wie das ital. „passato remoto“ oder das frz. „passé simple“) verwendet werden.

Die VIVALDI-Daten erlauben nun einerseits, dies für drei andere Orte zu bestätigen, und lassen andererseits, da die Sätze mit den betreffenden Verbformen in einen narrativen Text eingebettet sind, genauere Aufschlüsse über die Systematik dieser Verwendung zu. Als Beispiel hierfür sei nur genannt, dass man direkt anhand von GvS [1] zeigen kann, dass das Plusquamperfekt nicht unsystematisch mit dem Perfekt konkurriert:

(30) a. Jaju, chi eris at fattu ottant’annos, a mime e a sa carrale aiat contau cust’istòria. (Nuoro)
b. Un’annu fait, jaju miu, chi (?) eri seru (?) at cumpriu ottant’annus, iat contau a mei e a sorri mia custu contu. (Villacidro)
c. Un’annu fai, nonnu miu, chi ari seru at cumpriu ott’ant’annus, iat contau a mei e a sorri mia custa storia. (Cagliari)

Die unmittelbar zurückliegende Vergangenheit bzw. Vergangenheit mit Gegenwartsbezug in dem Relativsatz (vgl. das Adverb ‚gestern‘) wird hier durch das zusammengesetzte Perfekt ausgedrückt, während die entferntere Vergangenheit im Matrixsatz (‚vor einem Jahr‘) durch das Plusquamperfekt realisiert wird. Dies entspricht in Ploaghe genau dem Kontrast zwischen analytischem und synthetischem Perfekt:

(31) Un’annu commo, giaiu meu, chi deris at lòmpidu ottant’annos, mi conteit a mie e a sorre mia custu contadu. (Ploaghe)

Hierbei handelt es sich um eine Funktionsverschiebung, in der offenbar das Plusquamperfekt die durch den Wegfall des lateinischen Perfekts freigewordene Funktion übernommen hat. Es lässt sich zumindest anhand der VIVALDI-Daten keine diatopisch bestimmte Verteilung ausmachen, sondern das Phänomen scheint punktuell sowohl im Norden als auch im Süden aufzutreten. Es wäre zukünftig zu untersuchen, ob die in 3.2 beobachtete Herausbildung von surcomposé-Formen sowie das Setzen des Plusquamperfekts anstelle des Imperfekts in Bedingungssätzen hiermit zusammenhängt.

4 Anmerkungen zur linken Satzperipherie

4.1 Komplementierer

Die linke Satzperipherie bildet spätestens seit der Arbeit von Rizzi (1997) ein umfangreiches Arbeitsgebiet innerhalb der Syntaxforschung, insbesondere auch der romanischen Sprachen. Zum Sardischen vgl. hierzu Mensching/Remberger (2010a, b), Cruschina/Remberger (2009) u.a. (insbes. Fokus- und Fragekonstruktionen) sowie Damonte (2006) zu den Komplementierern im Sardischen, auf die hier zunächst eingegangen sei (zu Fokus- und Fragekonstruktionen siehe dann 4.2).

Bereits Wagner (1951, siehe 1997: 326–328) berichtet über die Existenz zweier nebensatzeinleitender Konjunktionen ca und chi, einer Parallele zu ähnlichen Systemen in Süditalien,46 wobei Wagners Darstellung hauptsächlich darauf abzielt, zu zeigen, dass ca die aus der Vulgata bekannte Verwendung von QUIA zur Einleitung der indirekten sowie auch z.T. der direkten Rede fortsetzt. Bezüglich der heutigen Distribution dieses Systems sowie auch der genauen Unterscheidung zwischen der Verwendung von ca und chi entnimmt man dieser kurzen Darstellung praktisch nichts. Es entsteht vielmehr der Eindruck, als würde ca immer stärker durch chi ersetzt bzw. mit diesem verwechselt, was insbesondere für die dialetti campidanesi rustici behauptet wird, die zudem auch noch ca als Relativpronomen verwenden. Interessanterweise bietet Wagner ein Beispiel für ca aus einer novellina bittese, während heute nach den ASIt-Umfragen zumindest in der Stadt Bitti selbst nur chi verwendet wird (vgl. Damonte 2006). In der Tat lautet der Komplementierer heute im Logudoresischen fast überall nur chi, während im Campidanesischen eine Opposition von ca und chi verbreitet ist. Der südlichste bisher in der Forschung berücksichtigte (zentral-)logudoresische Ort, an dem diese Opposition belegt ist, ist Dorgali. Die diesbezüglich in Manzini/Savoia enthaltenen Daten konnten im Rahmen meiner eigenen ASIt-Umfrage bestätigt und erweitert werden. Relikthaft ist ca in Lula (Jones 1993) und Orgosolo (ASIt) belegt.

Karte 4: Komplementierer ca und chi im Sardischen

Karte 4: Komplementierer ca und chi im
                                         Sardischen nach Manzini/Savoia (2005), aus
                                         Kampmann (2010: 54)

Nach Blasco Ferrer (1986: 195f.) wird ca im Campidanesischen nach verba dicendi, sentiendi e putandi und chi nach verba timendi und volitiven Verben gesetzt. Während dies für Baunei (ASIt) nur tendenziell bestätigt werden kann (hier wird zumindest z.T. die bereits von Wagner konstatierte Tendenz zur Verwechselung belegt, vgl. Damonte 2006) ist das System bei den von mir befragten Sprechern aus Dorgali völlig stabil und zeigt eine eindeutige Korrespondenz von ca und Indikativ sowie chi und Konjunktiv. Karte 4 zeigt die von Kampmann (2010: 54) nach den Daten von Manzini/Savoia (2005: 1, 452–469) angefertigte Karte, in der die schraffierten Gebiete den Orten entsprechen, an denen dieses System bekannt ist, während für die gepunkteten Gebiete die ausschließliche Verwendung von chi belegt ist:

Dass Laconi (Punkt 36) zu dem ca/chi-Gebiet gehört, kann aufgrund des Satzes Non sapevo che è morto aus dem phonetischen Teil in VIVALDI (vgl. (32)) im Kontrast zu den Sätzen 9 und 10 des syntaktischen Teils (Vuoi che io me ne vada? / È impossibile che io abbia detto questo) (vgl. (33)) bestätigt werden. Mit Fonni ist in demselben Satzpaar in VIVALDI ein Ort direkt oberhalb der in der Einführung genannten Isoglosse für den bestimmten Artikel belegt, der noch im zentrallogudoresischen Sprachgebiet gelegen ist und der diese Unterscheidung ebenfalls hat. Darüber hinaus kann ca vs. chi auch für Arzana belegt werden:

(32) a. No issio ʔa ’udi mortu. (Fonni)
b. No iscia ca fut mortu. (Laconi)
c. Non dd’iscia ca est mortu. (Arzana)
(33) a. Boles ʔi deo mi che ande? (Fonni)
a.' No est possibile ʔi deo appa nau ?ustu.
b. Boles ci deo mi nd’andi? (Laconi)
b.' No est possibili ci deo eppi nau custu.
c. ‘Oles ci mi nd’andi? (Arzana)
c.' Est impossibili ci appa nau custu.

Wie man sieht, korreliert hier ca mit dem Indikativ und chi mit dem Konjunktiv. In Fonni und Laconi steht chi folgerichtig auch nach bastat (‚es reicht‘) (GvS [11]):

(34) a. Bastat ʔi deo non morgia. (Fonni)
b. Bastat ci deo non mroxa. (Laconi)
c. Bastat chi non morgiu. (?) (Arzana)

Hingegen fällt in (34c) – wenn ich die Endung richtig höre – auf, dass der Sprecher aus Arzana zwar die Konjunktion chi verwendet, allerdings zusammen mit dem Indikativ. Darauf, dass das System zumindest für diesen Sprecher aus Arzana47 nicht stringent verwendet wird, deutet auch GvS [21] hin, in welchem ca nach ‚wollen‘ und mit Konjunktiv verwendet wird, im Kontrast zu den anderen beiden Orten:48

(35) a. poite ‘ollu ca tottus facant festa (Arzana)
b. poite ʔa49 vogio ʔi totus ʔaʔan ‘esta (Fonni)
c. poita ‘oxo ci tottus fatzaus festa (Laconi)

Neben den genannten Orten ist ca in VIVALDI auch in Perdasdefogu belegt. Der Informant verwendet nach ‚wollen‘ einmal ca, und zwar mit dem Indikativ50 und ein anderes Mal chi mit dem Konjunktiv. Nach non podit essi erscheint hier interessanterweise überhaupt kein Komplementierer:

(36) a. ‘Olis ca mi nd’andu? (Perdasdefogu)
b. poita ‘olgiu chi facant festa tottus
c. Non podit essi ∅ appa nau custu.

Karte 5: Komplementierer ca/chi: Modifikation von Karte 4

Karte 5: Komplementierer
		                         ca/chi: Modifikation von Karte 4

An allen anderen Orten lautet der Komplementer chi.51 Karte 4 kann demnach mit Hilfe der VIVALDI- und ASIt-Punkte wie in Karte 5 dargestellt modifiziert werden.

Vorbehaltlich von Datenerhebungen an anderen Orten sieht es nun so aus, dass im zentrallogudoresischen Sprachgebiet eine Linie, die Fonni und Dorgali verbindet, die Isoglosse bildet, wobei westlich dieser Isoglosse Bitti und Nuoro schon zum chi-Gebiet gehören.

In einem Teil der Orte, die die ca/chi-Unterscheidung kennen, darunter auch Laconi, wird nach Manzini/Savoia (1, 452–469) ca auch als Komplementierer in Relativsätzen verwendet,52 allerdings nur in appositiver Funktion, während in restriktiven Relativsätzen der ansonsten generalisierte Komplementierer chi eintritt (vgl. auch Kampmann 2010: 56). Dies kann für Laconi auch in VIVALDI bestätigt werden, vgl. die Beispiele in (37) im Kontrast zu (38) (aus GvS [1], [4] und [14]):

(37) a. ajaju meu, ca arisero at fattu ottant’annos (Laconi)
b. su becciu, ca ddi boliat bene meda
(38) a. at fattu su ci cuddu dd’at pediu (Laconi)
b. unu procu grassu ci pappada su randi

In Perdasdefogu ist der Vokal des Komplementierers in den hier relevanten Relativsätzen elidiert, so dass nicht entschieden werden kann, ob chi oder ca zugrunde liegt. Ähnlich verhält es sich meistens in Arzana, wo allerdings in einem Fall deutlich ca zu hören ist:

(39) su giovanottu, ca fut apodrando·si cun tuttu duas manus a sa sinistra de su babbu (Arzana)

Eindeutig ist in GvS [1] eine ca/chi-Unterscheidung noch in Sant’Antioco zu hören:

(40) Su beciu ca ddu stimabat mera, forcis ’incias (?) troppu, a is filixeddus ari fattu su chi su fillu ari domandau a issu […] (Sant’Antioco)

Da Sant’Antioco jedenfalls nach unseren Ergebnissen nicht zum ca/chi-Gebiet in Bezug auf Komplementsätze gehört (vgl. Karte 5), scheint es also zumindest einen Ort zu geben, an dem die ca/chi-Unterscheidung in Relativsätzen, jedoch nicht in Komplementsätzen zu finden ist. Umgekehrt kennt Dorgali nach Manzini/Savoia (2005) sowie den ASIt-Daten eine Unterscheidung zwischen ca vs. chi in Komplementsätzen, aber nicht in Relativsätzen. Auch in den anderen zentrallogudoresischen Orten, in denen zumindest Reste des ca/chi-Systems für Komplementsätze belegt sind (Lula, Orgosolo), wird ca offenbar nicht als Relativpronomen verwendet, so dass dieses Phänomen nicht über das campidanesische Sprachgebiet hinausreicht. So ist auch in Fonni in VIVALDI in allen Fällen, in denen der Sprecher appositive Relativsätze verwendet, eindeutig chi zu hören.

Schließlich wird chi bekannterweise im Campidanesischen anstelle von si als Konjunktion in Konditionalsätzen vorgezogen (vgl. z.B. Jones 1993: 249, 305). In Manzini/Savoia (2005: 1, 452–469) entsteht der Eindruck, dass dies an fast allen Orten der Fall ist, die auch ca als Relativpronomen kennen. Auch hier ist also eine nördliche zentrale Zone (Allai, Laconi, Orroli, Punkte 31, 36 u. 38 in den Karten 4 u. 5) zu erkennen, die in der zona grigia und leicht südlich davon situiert ist, sowie eine ebenfalls zentral gelegene südcampidanesische Zone (Siliqua und Settimo, Punkte 42 u. 43). Dieses Phänomen ist allerdings auch in dem ASIt-Fragebogen aus Baunei deutlich zu erkennen (vgl. Damonte 2006: 84–86), was zeigt, dass es sich innerhalb der zona grigia bis zur Ostküste erstreckt. Dies kann durch den VIVALDI-Punkt Arzana nochmals bestätigt werden, der eindeutig chi hat. Die VIVALDI-Daten (vgl. Abschn. 3.2) zeigen weiterhin, dass Bonarcado und Milis im Westen der zona grigia nicht mehr zu diesem Gebiet gehören, also hier die Konjunktion si verwenden. Für Laconi bestätigt auch VIVALDI die Zugehörigkeit zu diesem Gebiet. Der südlichste Punkt dieser nördlichen Zone ist bei Manzini/Savoia (2005) Orroli; VIVALDI zeigt, dass sich das Phänomen auf ungefähr gleicher Höhe noch bis nach Perdasdefogu erstreckt. Auch die südliche Zone erweist sich aufgrund der VIVALDI-Daten als weitaus größer als bei Manzini/Savoia (2005) erkennbar, denn auch Villacidro, nordwestlich von Siliqua und Cagliari ganz im Süden haben chi. Villacidro und Cagliari nehmen in den VIVALDI-Daten allerdings eine Sonderstellung ein, da von den drei untersuchten Sätzen jeweils in einem Falle si verwendet wird. Die Gründe dafür können hier nicht untersucht werden. Im Folgenden seien die bereits in 3.2 bei der Darstellung der Bedingungssätze verwerteten Daten der genannten Orte noch einmal zusammengestellt:

(41) a. Ci dd’ia scìppiu, fui ’ènniu. (Arzana)
b. Iaus a trabballare ’e prus, ci fustis pagaus mellus.
c. Ci fu abbarrau in domu, cantu mellus fu istau.
(42) a. Ci dd’ia iscìppiu, fui ’ennìu. (Laconi)
b. Noso iaus a trebballai ’e prus, ci fustis pagaus prus bene.
c. Ci deo fu istàppiu in domo, cantu mengius ia istai.
(43) a. Chi dd’ia scìppiu, fui ’ènniu. (Perdasdefogu)
b. Trabbalgiaus prus chi si pàganta prus.
c. Chi fu abbarrau in domo, ch’istaia melius.
(44) a. Chi dd’emmu scìpiu, femmu bennìu. (Cagliari)
b. Emus a trabballai de prus, chi si pagànta mellus.
c. Si deo femu aturau in domo, cantu mellus emu a essiri.
(45) a. Chi dd’essi scìppiu fia (femu) bennìu. (Villacidro)
b. Iaus a trabballai de prus, si fiaus pagaus mellus.
c. Chi fia abbarrau in domo, cant’ ia istai mellus.

4.2 Fokus- und Fragekonstruktionen

Neben den Komplementierern ist die linke Peripherie im Sardischen noch aufgrund der Präsenz einer linksperipheren generalisierten Fokusposition interessant (vgl. Mensching/Remberger 2010a, b), die sich maßgeblich von der im Italienischen auf Kontrastfokus beschränkten Struktur (vgl. Rizzi 1997) unterscheidet. Diese Struktur kommt in den informationsstrukturell nicht bestimmbaren isolierten Aussagesätzen im syntaktischen Teil nicht vor und ist auch im Gleichnis vom verlorenen Sohn selten, vermutlich weil die Sprecher sich allzusehr an der Wortfolge der italienischen Vorlage orientieren. Gleich mehrere Beispiele bietet allerdings der Sprecher aus Bonarcado in GvS [20]:

(46) a. [foc Troppu malu] seu stèttiu. (Bonarcado)
b. [foc Troppu mannos] sun sos peccados meos
c. [foc Unu tzeracu] app’a esser.

Besonders häufig kommt diese Struktur, wie in Mensching/Remberger (2010b) angemerkt, in Entscheidungsfragen vor, was auch im Gleichnis in der Übersetzung von Sei contento? (GvS [12]), mit der besonders charakteristischen Bewegung des Partizips in die Fokusposition, zumindest in vier Orten bestätigt werden kann:

(47) a. Cuntentu ses? (Ploaghe, Nuoro, Perdasdefogu)
b. Allergu ses? (Bonarcado)

Die Sprecher fast aller anderen Orte53 verwenden die italienische Wortfolge, die im Sardischen ebenfalls grammatisch ist (Ses cuntentu?). Die Informantin aus Macomer benutzt in diesem Satz sowie in Satz 9 des syntaktischen Teils54 die bekannte satzinitiale Fragepartikel a (Mensching/Remberger 2010a, b):

(48) a. A ses cuntentu? (Macomer)
b. A cheres chi mi ch’ande?

Dieselbe Struktur ist für Macomer sowie auch für Ploaghe in GvS [9] belegt:

(49) a. A tenides bisonzu de unu teracu? (Macomer)
b. A nd’azis bisonzu de unu teracu? (Ploaghe)

Während die Interrogativsatzstruktur mit Fokusbewegung nicht auf eines der beiden größeren Varietätengebiete beschränkt ist, ist von der Fragepartikel a bekannt, dass sie im Campidanesischen nicht vorkommt, so dass sie im Süden auch nicht zu erwarten ist.

In Nuoro und Perdasdefogu ist in VIVALDI eine weitere Möglichkeit der Bildung von Entscheidungsfragen belegt, nämlich die Verwendung von itte (eigentlich das Interrogativpronomen ‚was‘) als Fragepartikel:55

(50) a. Itte azes bisonzu de unu teraccu? (Nuoro)
b. E itte tenies bisongiu de unu seracu? (Perdasdefogu)

Im Gegensatz zu a ist also itte als Fragepartikel auch im Campidanesischen vorhanden. Schließlich verwendet der Sprecher aus Bonarcado noch eine verneinte Spaltsatzfrage:

(51) No est chi s’at bisonzu de unu tzeracu? (Bonarcado)

Alle anderen Orte zeigen auch hier die Wortstellung des Aussagesatzes (Intonationsfrage):

(52) Tenies bisongiu56 de unu tzeracu/serbidore? (Fonni, Milis, Arzana, Laconi, Villacidro, Cagliari)

Insgesamt sind alle bisher für das Sardische bekannten Konstruktionen für Entscheidungsfragen in VIVALDI belegt. Über die Diatopik kann hier nicht besonders viel ausgesagt werden, allenfalls lässt sich feststellen, dass tendenziell die Intonationsfrage im Campidanesischen häufiger ist.

5 Zusammenfassung und Ausblick

Die vorausgehenden Ausführungen zu einzelnen Phänomenbereichen der sardischen Syntax zeigen, dass die im Vivaio Acustico delle Lingue e dei Dialetti d’Italia bisher explorierten Orte auf Sardinien, die das Sardische im engeren Sinne repräsentieren, sowie auch die online verfügbaren Daten selbst wichtige Beiträge zur Erforschung der sardischen Syntax liefern können. Die relativ kleine Anzahl von Stimuli im syntaktischen Teil kann durch einzelne phrasen- bzw. satzhafte Daten des phonetischen Teils, vor allem aber durch die vielfältigen syntaktischen Strukturen im Gleichnis vom verlorenen Sohn ergänzt werden. Es ist übrigens der VIVALDI-Menüoption „Einzelauswahl von Orten und Stimuli“ zu verdanken, dass diese in verschiedenen Teilen vorhandenen Phänomene für den vorliegenden Artikel zu einem virtuellen syntaktischen Sprachatlas Sardiniens zusammengestellt werden konnten. Das Gleichnis ist deshalb von großem Wert, weil es die Sätze im Zusammenhang präsentiert und daher eine viel differenziertere Analyse und insbesondere auch Untersuchungen zur Informationsstruktur erlaubt.

Was die Orte anbelangt, so kann festgehalten werden, dass mindestens zehn von diesen bisher nicht in maßgeblichen Studien zur Syntax berücksichtigt wurden und daher hier zum größten Teil erstmals untersucht werden konnten. Die Orte sind zudem so verteilt, dass sie die wichtigsten Untervarietäten des Sardischen abdecken. Hierbei ist es von großem Vorteil, dass gleich mehrere Orte sich in der sogenannten zona grigia befinden, in der auch verschiedene wichtige, zukünftig noch zu entdeckende oder zu präzisierende syntaktische Isoglossen verlaufen. Als besonders interessant können hier die Orte Bonarcado und Milis gelten. Bonarcado verhält sich lautlich, aber auch bei den meisten hier nebenbei erwähnten morphologischen Phänomenen, so z.B. bezüglich des bestimmten Artikels im Plural (vgl. 1), des Possessivpronomens der 2. Person Plural (vgl. 2) und des Konditionals (vgl. 3.1) noch wie das Logudoresische, zeigt aber in anderen Bereichen, z.B. beim Konjunktiv Imperfekt oder den klitischen Pronomina der 3. Person57 schon campidanesische Formen. Syntaktisch zeigt Milis, das auch im lautlichen und morphologischen Bereich stark zum Campidanesischen gehört, bereits bei der Konstruktion PP + Personalpronomen (anstelle des Possessivums in der 2. Person Plural) im Gegensatz zu Bonarcado bereits klar die Zugehörigkeit zum Campidanesischen. Bezüglich der Existenz zweier Komplementierer ca und chi, eines heute hauptsächlich campidanesischen Phänomens, ist in Karte 5 zu erkennen, dass die relevante Isoglosse zwischen diesen beiden Orten und dem von Manzini/Savoia (2005) identifizierten zentralen ca/chi-Gebiet liegt. Für den Osten kann VIVALDI eine genauere Vorstellung davon liefern, wie sich das ca/chi-Gebiet nach Norden (in das zentrallogudoresische Sprachgebiet) sowie nach Süden erstreckt.

Nicht für alle hier behandelten syntaktischen Phänomene lässt sich eine areale Verteilung ausmachen. Dies liegt erstens daran, dass sich das Sardische bezüglich vieler Phänomene relativ gleichförmig verhält, wie bereits Jones (1993) festgestellt hat. Zweitens liegt es in der Natur der Syntax, dass an ein und demselben Ort mehrere (z.B. informationsstrukturell bestimmte) Optionen existieren, von denen ein Sprachatlas in aller Regel nur eine repräsentiert. Dieses Manko wird in VIVALDI zum Teil dadurch ausgeglichen, dass im Gleichnis vom verlorenen Sohn an verschiedenen Stellen im Text oft mehrere solcher Optionen gewählt werden. Drittens kann es Konstruktionen geben (ein Beispiel liefert wahrscheinlich das Plusquamperfekt in der Funktion des passato remoto, vgl. 3.3), die sich punktuell an mehreren, nicht diatopisch zusammenhängenden Orten herausgebildet haben.

Es bleibt zu wünschen, dass VIVALDI zukünftig einen festen Platz in syntaktischen Studien einnimmt und hierbei auftretende offene Fragen – einige wurden in diesem Beitrag bereits formuliert – durch die Hinzufügung weiterer Orte auf Sardinien lösen kann.

Anmerkungen

1 Die Darstellung ist nicht exhaustiv, was auch bedeutet, dass hier allein aus Platzgründen keine vollständige Behandlung des Forschungsstandes zu jedem einzelnen behandelten Phänomen erfolgen kann. Es fehlen somit ggf. Verweise auf weitere Grammatiken und syntaktische Einzelanalysen. Auch müssten zukünftig noch syntaktisch verwertbare Karten aus den traditionellen Sprachatlanten wie dem AIS und dem ALI berücksichtigt werden.

2 Dieses Manko konnte von Gabriel Kampmann durch die Hilfsbereitschaft von Leonardo Savoia, der einige Zusatzinformationen aus seinen Notizen liefern konnte, durch die Eingliederung der bisher vorliegenden ASIt-Fragebögen sowie durch punktuelle Sprecherbefragungen über das Internet nur teilweise ausgeglichen werden.

3 Die in Klammern angegebenen Zahlen beziehen sich auf Karte 2. M&S = Manzini/Savoia (2005); K = von Kampmann (2010) zusätzlich für einige Phänomene berücksichtigter Ort.

4 Hier lauten die Artikelformen /us/ und /as/, sind also Allomorphe von sos und sas; vgl. Wagner (1938/39: 127, Fußn. 1), wo diese auch in Urzulei belegten Formen als Kompromissformen zwischen Log. und Camp. gedeutet werden.

5 Der westliche Teil dieses Gebiets (hier die genannten Orte Santu Lussurgiu, Ardauli, Bonarcado, Milis, Paulàtino, Allai, Sorgono) werden als der „Mischvarietät“ Arborense zugehörig betrachtet (vgl. Virdis 1988: 905).

6 Die Abschnittsnummern des Gleichnisses werden in eckigen Klammern angegeben.

7 Die LSC sieht als Alternative zu der standardisierten Form auch die orthographische Darstellung lokaler Varietäten vor. Bei einigen (satz-)phonetischen Eigenschaften, z.B. dem glottal stop in Fonni (wiedergegeben als „ʔ“) oder bei wortinitialen oder finalen Elidierungen (durch Apostroph gekennzeichnet), wird von den Konventionen der LSC abgewichen. Hingegen werden die paragogischen Vokale der LSC folgend i.d.R. nicht dargestellt.

8 Die LSC erlaubt sowohl meu als auch miu. Letzteres umfasst im Maskulinum in den VIVALDI-Daten das Campidanesische, wobei innerhalb der zona grigia Milis im Westen und Arzana im Osten die nördlichsten Orte sind. In der Mitte zeigt sich aber noch in Laconi die Form meu. In Ploaghe, Macomer, Bonarcado und in Laconi lautet das Possessivum der 1. Person Singular im Femininum mia.

9 In Perdasdefogu wird ein anderes Lexem (calleddu) verwendet; der bestimmte Artikel fehlt hier. Offenbar wird calleddu wie ein Eigenname behandelt (vgl. den Satz Il cane è bello im phon. Teil), so dass dieses Nomen nie einen Artikel trägt. Vgl. auch die entsprechenden Belege bei Puddu, DitzLCS, s.v. callédhu. Diese Struktur entspricht somit wahrscheinlich eher zufällig der von Jones (1993: 59) für Lula beschriebenen Möglichkeit, bare nouns mit Possessivum als Prädikatsnomen zu verwenden (Custu est lettu meu, Custu est libru tuo).

10 Das Possessivum der 1. Person Plural erscheint im Campidanesischen an den meisten Orten ohne /r/ (in LSC nicht als Alternative vorgesehen).

11 Alternativ könnte angenommen werden, dass das erste Possessivpronomen phonetisch leer ist. Die genaue Struktur müsste zukünftig (z.B. im Rahmen einer modernen DP-Analyse) bestimmt werden.

12 Geosynonyme für ‚Großvater‘: nonnu (Fonni, Macomer, Cagliari), babbai (Bonarcado), maneddu (Arzana), nonnai (Milis), nannau (Perdasdefogu).

13 In diesen drei Orten wird babbai auch als Vokativ für den eigenen Vater benutzt (vgl. GvS [3]). Wie die Übersetzung von da suo padre in demselben Abschnitt zeigt, heißt das Lexem ansonsten hier ebenfalls babbu, das in den meisten anderen Orten (Nuoro, Milis, Laconi, Sant’Antioco, Cagliari) auch als Vokativ verwendet wird. Ploaghe, Macomer, Bonarcado und Arzana setzen hier den „typisch sardischen“ Vokativ mit Trunkierung nach der betonten Silbe, (oh) ba’.

14 Ausnahmen sind Milis (babbu), Perdasdefogu (babbai) und Arzana (ba’). Die Vokativform ba’ kann offenbar nicht von einem Possessivum gefolgt werden, vgl. babbu meu in Ploaghe, Macomer und Bonarcado, anstelle von *ba’ meu.

15 Dies wird von Secci (2007: 45) für Baunei bestätigt.

16 Die anderen Orte haben a/in su campu meu/miu (z.T. mit anderen Lexemen für campu), mit Ausnahme von Macomer, Milis, Perdasdefogu und Villacidro, die das Possessivadjektiv in der Übersetzung weglassen.

17 Der Sprecher scheint zunächst fizu bostu sagen zu wollen, korrigiert sich dann aber sofort.

18 Der Sprecher aus Cagliari verwendet zur Anrede für den Vater die 2. Person Singular und sagt folglich fillu tuu / unu de is serbidoris tuus.

19 Die Sprecherin aus Macomer sowie der Sprecher aus Nuoro verwenden übrigens jeweils in einem Fall eine Possessivkonstruktion mit klitischem Dativpronomen (Nuoro: no so prus dignu de bos esser fizu; Macomer: bos fatto de teraccu).

20 Vgl. auch Lepori (2001: 167): „Quando due possessivi si riferiscono a uno stesso sostantivo, il secondo viene reso con la formula DE + pronome personale preceduto o no dall’articolo determinativo: sa lìngua mia e (sa) de bosatrus (la mia e la vostra lingua).“

21 Vgl. die Charakterisierung von Lepori (2001: 167): „È molto usata in certe zone per rafforzare il concetto la formula COSA + possessivo femminile: custu est su parri cosa mia (questo è il mio parere).“

22 Einige wenige Sprecher benutzen entweder in Satz 7 oder in Satz 8 das Präsens. Nur der Sprecher aus Milis benutzt in beiden Sätzen das Präsens, das Futur kann für diesen Ort aber in GvS [20] (ap’essi) = ich werde sein) nachgewiesen werden.

23 Vor dem Verb esser fehlt im Campidanesischen in Cagliari, Sant’Antioco, Villacidro, Perdasdefogu und Milis die Präposition a; vgl. auch das in Blasco Ferrer (1986: 128) gegebene Paradigma.

24 Die Form estus ist die 1. Person Plural Indikativ Imperfekt von ‚haben‘ im Sulcis (vgl. Wagner 1938/39: 5f.).

25 Vgl. das standardisierte Paradigma für das Campidanesische in Blasco Ferrer (1986: 127): 1. Sg.: emu/iapu; 2. Sg.: iast; 3. Sg. iat; 1. Pl.: emus; 2. Pl.: estis; 3. Pl.: iant. Vgl. ebenso bei Lepori (2001, z.B. 70).

26 Die Planargia liegt westlich des VIVALDI-Punktes Macomer und nördlich des VIVALDI-Punktes Bonarcado.

27 Die Form essi ist der Konjunktiv von ‚haben‘; der Konjunktiv von ‚sein‘ heißt im Campidanesischen fessi oder fussi.

28 Am häufigsten ist die Verwendung des Indikativs Imperfekt (Macomer, Nuoro, Milis, Arzana, Perdasdefogu). Die Sprecher aus Ploaghe und Bonarcado verwenden den Indikativ Plusquamperfekt, und der Informant aus Laconi als einziger der Konditional I.

29 Aber ASIt, Satz 98, Posada: Creo chi dian manigare si dian tennere gana. Bitti (eigene Befragung): Pesso chi dian mannicare si dian aer gana.

30 Der Konditional in der Apodosis ist auch in Ittiri (ASIt) belegt, wobei die Sprecher in der Protasis den Konjunktiv Imperfekt verwenden.

31 Die Form fustis in der 1. Person Plural ist nach Wagner (1938/39: 8) nicht nur im Sulcis, sondern auch in anderen ländlichen Zonen des Campidano und angrenzenden Zonen verbreitet. Wagner nennt insbesondere Laconi sowie insgesamt das Nordcampidanesische.

32 Allerdings ist diese Struktur in den ASIt-Daten auch in Bitti und Posada belegt.

33 Der Sprecher bietet zwei Lösungen an.

34 Vgl. auch meinen ASIt-Fragebogen aus Brunella.

35 Laut ASIt aber auch im Norden, in Ossi; Satz 98: Penso chi mandigaian, si aian fàmine.

36 Nordcampidanesische Form der 1. Person Plural Indikativ Imperfekt nach Wagner (1938/39: 2).

37 ASIt: Der Informant aus Baunei zeigt den Indikativ Plusquamperfekt in der Protasis, aber der Konditional I in der Apodosis: Penso ca iant are pappáu chi íanta tentu famene. (Die von dem Informanten als jantáre wiedergegebene Form, die auch in Damonte (2006) übernommen wird, ist als iant are zu interpretieren). Hingegen hat der Sprecher aus Brunella den Indikativ Plusquamperfekt in der Apodosis mit dem Gerundium in der Protasis: Pesso ch'aian manigadu tenzende (abberu) fàmine.

38 Vgl auch ASIt (Baunei, Orgosolo).

39 Vgl. aber ASIt, Satz 98, Ittiri: Creo chi dian mandigare si aperen fàmine. Während hier der Konjunktiv nur in der Protasis vorkommt, zeigt die ältere ASIt-Befragung aus Bitti den Konjunktiv in beiden Teilen: Pesso mannicheren s’aeren tentu gana. Die von mir befragte Sprecherin aus Bitti bietet hingegen nur die Lösung mit Konditional in beiden Teilen an.

40 Ebenso Satz 11, vgl. oben unter (21a).

41 Die VIVALDI-Daten erwecken den Eindruck, als wäre diese Option hauptsächlich im Campidanesischen verbreitet. Neben Macomer (VIVALDI) ist sie aber in ASIt-Daten auch in Brunella, Posada und Ossi belegt. Es sei hier noch angemerkt, dass in Dorgali und Orgosolo nach meinen ASIt-Umfragen auch das zusammengesetzte Perfekt verwendet wird.

42 Die ASIt-Umfragen bestätigen die Präsenz des surcomposé-Typs im Zentralsardischen (Orgosolo) sowie die Extension nach Westen (Ittiri, in der Gegend von Ploaghe).

43 Die ASIt-Umfragen enthalten jedoch Hinweise darauf, dass der Konditional II in Bitti und Baunei (Apodosis) und in Dorgali (Protasis) verwendet wird.

44 In Sant’Antioco und Cagliari benutzen die Sprecher in diesem Satz das Präsens.

45 Die campidanesische Form lautet iat (Villacidro).

46 Vgl. hierzu in neuerer Zeit Ledgeway (2003).

47 In Arzana findet (anders als an den anderen sardischen Orten) beim GvS ein Sprecherwechsel statt.

48 Interessanterweise benutzt dieser Sprecher in (34c) die nicht-palatalisierte Variante chi anstelle von ci, die bei dem anderen Sprecher (vgl. (33c, c')) zu hören ist. Hingegen verwendet er ci in dem unmittelbar davor situierten Satz Non ci at bisongiu chi m’ongiat àtteru (m’ongiat steht für mi dongiat, Konjunktiv Präsens von donare). Der Sprecher verwendet auch als Relativpronomen chi neben ci. Dies kann hier aus Platzgründen nicht systematisch untersucht werden.

49 Poite ʔa = poite ca ‚weil‘, im Gegensatz zu apustis chi ‚nachdem‘ (GvS [18]). Dass ca in kausalen und chi in temporalen zusammengesetzten Konjunktionen verwendet wird, kann auch in den ASIt-Fragebögen aus Dorgali und Orgosolo bestätigt werden.

50 Hierbei ist noch zu berücksichtigen, dass auch an anderen Orten (außerhalb des ca/chi-Gebiets) in Satz 9 ‚wollen‘ mit dem Indikativ verwendet wird (Milis, Bonarcado).

51 In Milis wird chi in den allermeisten Fällen als [ke] artikuliert, möglicherweise ein Italianismus oder Hispanismus.

52 Ardauli (P. 30 in den Karten 4 bzw. 5) , Allai (P. 31), Laconi (P. 36), Orroli (P. 37), Settimo (P. 43), Siliqua (P. 42).

53 Fonni, Laconi, Arzana, Milis, Villacidro, Sant’Antioco und Cagliari.

54 Hingegen ist an allen anderen Orten die Wortstellung des Aussagesatzes zu hören.

55 Vgl. Mensching (2010); diese Struktur ist meines Wissens nach in der Literatur bisher ansonsten nicht beschrieben worden.

56 Im Campidanesischen meist: abbisongiu.

57 Bonarcado hat hier die campidanesischen Formen mit initialem dd- statt l-.

Literatur

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– (1951): La lingua sarda: Storia, spirito e forma, Bern.

– (1997): La lingua sarda: Storia, spirito e forma, a c. di Giulio Paulis, Nuoro.

Anhang

  1. Sätze aus dem syntaktischen Teil von VIVALDI
    1. mio figlio
    2. Se l’avessi saputo sarei venuto.
    3. Lui ha due case.
    4. Quando si diventa vecchi si dorme poco.
    5. Si munge due volte al giorno.
    6. Ho sete, devo bere qualcosa.
    7. Domani tornerò a casa.
    8. Quando sarò vecchio mi comprerò una casa sul mare.
    9. Vuoi che io me ne vada?
    10. È impossibile che io abbia detto questo.
    11. Lavoreremmo di più, se fossimo pagati meglio.
    12. Un ramo marcio mi è caduto sul viso; mi ha fatto sanguinare il naso.
    13. Non mangiare questa mela, è marcia!
    14. Non mangiate troppa frutta!
    15. Non trovo la chiave; dove l’hai messa?
  2. Gleichnis vom verlorenen Sohn (italienische Version)
  3. [1] Un anno fa mio nonno, che ieri ha compiuto ottant’anni, raccontò a me e a mia sorella questa storia: [2] C’era una volta in un piccolo villaggio un uomo, il quale aveva due figlioli. [3] Un giorno il più giovane dei due fratelli andò da suo padre e gli disse: „Babbo, voglio avere tutto quello che mi tocca. Datemi quello che è mio.“ [4] Il vecchio, che voleva molto bene (forse anche troppo!) ai suoi figlioli, fece ciò che quello chiedeva a lui. [5] Pochi giorni dopo il giovanotto prese tutto il suo denaro e se ne andò. [6] In una lontana città visse allegramente, ubriacandosi assieme ad alcuni amici e ballando con delle donnacce. [7] Così in poche settimane furono spesi tutti i denari; ed egli restò senza niente. [8] Che cosa doveva fare? Come sarebbe vissuto? Dove avrebbe trovato un pezzo di pane? [9] Finalmente andò da un contadino e gli domandò: „Avete bisogno di un servo?“ [10] Sì – rispose il contadino – ma, come sai, quest’anno abbiamo avuto la brina, troppa pioggia e per giunta, la grandine. Perciò potrò darti solo un po’ di pane e nient’altro. [11] Non occorre che mi diate altro. Basta ch’io non muoia! … [12] Tutti i giorni andrai nel mio campo e in quel prato a pascolare i miei porci e le mie pecore. Sei contento? [13] E il poveraccio condusse al pascolo il bestiame del suo padrone, tre, cinque, dieci, venti, tante volte. [14] Ma quand’egli vedeva un porco grasso che mangiava ghiande [patate], diceva tra sè: „Povero me! S’io fossi restato a casa, quanto meglio starei. Com’era bello da mio padre! Adesso invece sto malissimo.“ [15] E per non morire, mangiava erba e radici; e piangeva: „Almeno potessi ritornare dai miei!“ [16] E piangi oggi, piangi domani, non poteva più: la fame e i dolori lo facevano dimagrire sempre di più. [17] Perciò dopo un paio di mesi, sebbene la casa di suo padre fosse molto lontana, pensò di tornare indietro. [18] Dopo aver camminato parecchi giorni e parecchie notti, arrivò scalzo e lacero nel villaggio, dove abitavano i suoi buoni genitori. [19] Tosto che il babbo lo vide venire avanti, adagio adagio, rasente la siepe del cortile, con gli occhi bassi, gridò dalla gioia, gli incorse incontro e lo baciò sulla fronte, sulle guance, sulla bocca. [20] No, babbo mio, non baciatemi! Sono stato troppo cattivo. I miei peccati son troppo grandi; non son più degno di essere vostro figlio: sarò uno dei vostri servi. [21] Ma il padrone chiamò sei servi e disse loro: „Portate qua il miglior vestito ch’io abbia, e metteteglielo indosso. Poi mettetegli un anello nel dito e le scarpe ai piedi. Voi altri laggiù attingete acqua, accendete il fuoco e ammazzate il più bel vitello, perché voglio che tutti facciano festa.“ [22] „ Guardate: questo mio figlio era perduto, e adesso è stato trovato di nuovo. “ [23] E poi si volse verso il figlio. „Andiamo“, disse ed entrò subito in casa col giovanotto, il quale teneva con tutt’e due le mani la sinistra del padre. [24] E tutto il giorno si mangiò, si bevette molto vino e si cantarono belle canzoni.

  4. Gleichnis vom verlorenen Sohn (Nuoro)
  5. [1] Jaju, chi eris at fattu ottant’annos, a mime e a sa carrale aiat contau cust’istoria. [2] Una borta, in unu bidizolu, b’aiat un’òmine chi aiat duos fizos. [3] Una die, su frade prus zòvanu, fit andau dae su babbu e l’at nau: „Babbu, dego cherjo sa parte de parte chi mi toccat in eredu – dàze·mi su meu.“ [4] Su betzu, ch’istimabat meda, fortzis peri troppu, sos fizos, aiat fattu su chi su fizu minore aiat pediu. [5] Pustis de pacas dies, su zòvanu si·nche at picau su dinari suo e si·nche fit andau. [6] In una bidda, allargu da domo sua, s’aiat colau sas dies in cuntentesa, bibende e divertinde, chin amicos e fèminas de pacu cabbale. [7] Gaichì, in pacu tempus, si·nche at gastau tottu e fit abbarrau chene mancu tzentèsimu. [8] Itte deppiat facher? Comente deppiat facher pro campare dae commo in susu? Ube aiat àppiu accatau unu buccone ? [9] A s’ùrtimu, aiat pediu a unu massaju. „Itte azes bisonzu de unu teraccu?“ [10] „Nd’appo bisonzu abberu“, aiat rispostu su massaju, „ma, comente bies, amus àppiu un’annada de àstragu e de traschia de abba e gràndine. Pro cussu ti potto dare petzi una mura de pane.“ [11] „No est nudda. Si no mi podies dare àtteru, bastat chi non morja de sa gana.“ [12] „Andas cada die a sa tanca mea, e in cussu pradu pasches sos porcos e sa gama de sas berbeches. Cuntentu ses?“ [13] Su pòberu diàulu aiat derettu a pascher su bestiamen de su mere, tres, chimbe, deche, binti, pro un’upore de bortas. [14] Ma cando bidiat unu porcu grassu manichande lande, si nabat tra issu: „Ja so’ torrau bene. Si fipp’abbarau in domo, àtteru che goi fipp’istau. Chin babbu ja s’istabat bene. Como imbetzes, so fachende sa bida de unu cane.“ [15] Pro non morrer de sa gana, manicabat erba e radichinas, e si·nde pranghiat: „Si a su mancu podia torrare an domo!“ [16] E pranghe oje e pranghe cras, non nde podiat prus. Sa gana e sos dolores lu fin suttilicande semper de prus. [17] Dae cussu, apustis de una paja de meses, mancari sa domo ‘e su babbu nche fit allargu, aiat pessau de si·nche ghirare. [18] Pustis de aer camminau pro paritzas dies e paritzas nottes, iscurtu e istratzulau fit arribbau a bidda sua, a domo de su babbu e de sa mama. [19] Cando su babbu nche·l’at bidu arribbande a bellu a bellu sarente a sa crisura ‘e sa corte a chizos falaos, aiat abbochinau dae sa cuntentesa. L’aiat addobiau a camminu e l’at basau a cherbeddos, a massiddas e a bucca. [20] „Itte sezis fachende, babbu meu? No mi bazezas! Non soe istau dechille chin bois. Sos peccaos meos sun troppu mannos. Non so’ prus dinnu de bos esser fizu. App’a esser unu de sos teraccos brostos.“ [21] Ma su mere aiat muttiu sos teraccos e lis aiat nau: „Battie·mi·nde sa beste prus bella chi appo e bestie·li·a. Apustis ponie·li un’aneddu a su pòddighe e cartae·lu. E bois in cue a josso, umprie abba, alluchie su focu e occhidie su mezus bitellu. Cherjo chi tottu facan festa.“ [22] „Pompiae: custu fizu meu si fit pèrdiu e commo est istau accatau dae nobu.“ [23] Appustis, si fit bortau ocros a su fizu. „Ajo ch’andamus“, l’aiat nau e derettu fit intrau a intro chin su zòvanu, su cale chin ambas manos manteniat sa manu manca de su babbu. Aian fata (?) tottu sa die e manicande, bibende binu meda e cantande cantones bellas.